Auf einer Tagung von Pastoren erzählt ein Mann die Geschichte seiner kleinen,
aber vitalen Gemeinde in einer deutschen Kleinstadt. Alles begann damit, dass er
mit seiner Frau und seinen vier Kindern in eine Vorstadtsiedlung gezogen ist. Das
missionarische Projekt hatte kein Gebäude, keine Verwaltungsstruktur – noch
nicht einmal ein kleines Mitarbeiterteam. Was sollte da werden? So richtig viel
gab es auch nicht zu tun – was sich schlecht machte in den regelmäßig
erscheinenden Freundesbriefen. Die Strategie und die Aktionen griffen nicht so
richtig, eine mitreißende Vision fehlte irgendwie.
In der Nachbarschaft der Familie wohnte ein Mann mittleren Alters, zu dem loser
Kontakt bestand. Ihn nahm das Ehepaar ganz regelmäßig in ihr Gebet mit auf. Sie
begleiteten über mehrere Jahre sein Leben über Höhen und Tiefen – punktuell
praktisch, gelegentlich freundschaftlich, dafür ganz kontinuierlich in der Fürbitte.
Und tatsächlich bewegte sich etwas. In dem Herzen des Pastors. „Ich hatte vorher
nicht verstanden, wie tief man einen `fremden` Menschen lieben kann.“ Aus den
punktuellen Kontakten wurde eine aufrichtige und ehrliche Anteilnahme am
Leben dieses Nachbarn.
Eines Abends klingelte er. Er brauchte jemanden, mit dem er vertraulich sprechen
konnte. So Vieles hinter der einigermaßen geordneten Fassade war zusammengebrochen.
Von seinem „kirchlichen“ Nachbarn wusste er: „Der ist vertrauenswürdig.“
Viel bewegte sich in diesem Gespräch. Der Mann wurde Christ. Sein
Leben sortierte sich. Er blühte auf. Der Pastor bat ihn nun um eine Sache: „Bitte
beginne du jetzt für einen Menschen kontinuierlich zu beten. Trage ihn immer
wieder in deinen Gebeten vor Gott. Begleite sein Leben durch dein Gebet.“
Dieses Eintreten im Gebet für den Nächsten ist ein Herzstück dieser Menschen
geworden. Mittlerweile hat sich eine Gemeinde genau um dieses Herzstück
gebildet, von der Segensspuren ausgehen.
Jesus erzählt in einem Gleichnis von einem Senfkorn. Es ist völlig unscheinbar.
Doch wenn es keimt und dann eine Pflanze heranwächst, passiert etwas
Unerwartetes. In einem alten Reisebericht findet sich der Hinweis auf fast vier
Meter hohe Senfbäume in der fruchtbaren Ebene von Akkar. Zahlreiche Vögel
waren dort zu finden, die von den kleinen Samen angelockt wurden. Das Senfkorn
wird zur Heimat für unzählige Vögel. So ist das Reich Gottes. So sagt Jesus. Im
Matthäusevangelium könnt ihr die Geschichte nachlesen. (Mt. 13,31-32)
Mit großer Leidenschaft ringen wir um unsere Strukturen, Gebäude und
Veranstaltungen. Wir tun dies, weil wir darin viel Segen erlebt haben.
Gleichzeitig erleben wir, dass unsere Kirche für immer weniger Menschen
Heimat ist. Dieses Gleichnis vom Senfkorn ermutigt mich, neu im Kleinen zu
beginnen. Bei allem berechtigten Ringen um Strukturen und Formate: Jesus baute
sein Reich, in dem er einzelnen Menschen nachging. Dazu braucht es keine
großen Dinge. Es braucht Menschen, die sich im Gebet von der Liebe Jesu
bewegen lassen.
Es grüßt Sie herzlich Ihr Pfarrer Tobias Frauenlob