Gedanken zur        Jahreslosung 2018

Gott spricht:              Ich will dem Durstigen geben von der Quelle

                                                   des lebendigen Wassers umsonst.                 Offenbarung 21,6

 

 

Der Schrei nach Wasser

 

Wie fing es (z.B.) mit den Bäumen an? Im Anfang war der Keimling. Die Baumsamen enthalten nur so viel Nährstoffe, dass sie den Keimling für einige Tage (große Bäume maximal für einige Wochen) ernähren können. Ohne Wachstum wird der Keimling unweigerlich sterben. Aber wodurch setzt dieses überlebensnotwendige Wachstum ein? Die Botanik lehrt uns: Es beginnt mit der Aufnahme von Wasser durch die Samenschale.

Das kann man als ein Gleichnis verstehen.

Wer zum Glauben gekommen ist, der ist wie ein Keimling. Es gibt ein Leben in uns, das in gleicher Weise nach Wasser dürstet wie unser Körper. Es ist der Durst unserer Seele, wie es ein Psalmwort sagt: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir“ (42,2).

Es gibt kein Leben ohne Wachstum, und es gibt kein Wachstum ohne Wasser. Darum ist es wichtig, zu fragen, ob ich das lebendige Wasser, das meine Seele stillt, eigentlich kenne. Das Wasser steht in der Bibel für die Erkenntnis Gottes. Es ist sonderbar, doch wer dieses Wasser kennengelernt hat, in dem wächst zugleich auch der Durst nach Gott. Wer den Schrei nach Gott nicht kennt, dessen Glaube wurde noch nicht ins Leben gerufen. Denn wo immer der Glaube eines Menschen lebendig ist, da entwickelt sich ein inneres Dürsten nach Gott.            Es ist ein unstillbares Verlangen.

Nur was nicht lebt, kennt keinen Durst. Ein lebloser Glaube kann nicht viel mehr als ein trockenes Fürwahrhalten nicht beweisbarer und nicht widerlegbarer Behauptungen sein. Der Glaube aber, von dem die Evangelien sprechen, ist eine innige Gottesgemeinschaft. Ohne das Wasser aufzunehmen, wird der Glaube nicht am Leben bleiben. Was aber ist dieses Wasser des Glaubens? Im Johannesevangelium heißt es: „Am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers

fließen.“ Und Johannes fügt hinzu: „Das sagte er aber von dem Geist, den sie empfangen sollten, die an ihn glaubten“ (7, 37-39).

Wer dem Baumsamen gleicht, der noch in sich verschlossen ist, kennt nicht diesen Durst nach dem Wasser des Heiligen Geistes. Der Durst des Keimlings aber, der zu wachsen beginnt, ist wie die Erfahrung des Menschen, der in der Gottesgemeinschaft seinen inneren Durst zu stillen beginnt.

 

aus: Martin Schleske, Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens, Kösel-Verlag, München