Predigt zum 21.3.2021/Judika/ von Pf. Thomas Stiehl

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Liebe Gemeinde,

 

Papa, du musst auch mal Hilfe annehmen.“ 

 

So sagte es unsere älteste Tochter in letzter Zeit immer mal zu mir.

Das ist das, was ich ihr und unseren Kindern gepredigt habe.

Wovon ich zutiefst überzeugt bin.

Das Angewiesensein aufeinander keine Schwachheit ist.

Sondern ein Segen.

 

Ausdruck von menschlichem Leben.

Und Teil des Reiches Gottes.

 

Papa, du musst auch mal Hilfe annehmen.“

Auch von meinen Kindern.

Die scheinbar noch schwächer, hilfsbedürftiger sind.

 

Hilfe annehmen, sich dienen zu lassen.

Das ist eine Botschaft, die Jesus uns mitteilt.

In einer Zeichenhandlung.

In der Fußwaschung.

 

Wer kennt diese Geschichte?

Jesus wäscht den Jüngern die Füße.

Nicht den Kopf.

 

Er wäscht ihnen die Füße vor dem letzten Abendmahl.

Um ihnen zu zeigen:

Jesus sagt: Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele."

Markus 10,45

Wir wissen, das Waschen der Füße war der ekligste Job in der Antike.

Die Straßen waren dreckig.

Voll von Schlamm, Kot und Unrat.

Die wenigsten hatten Sandalen oder Schuhwerk.

 

Am Ende einer Reise erreichte man das Haus eines Freundes mit stinkenden Füßen, dreckig.

Und der niedrigste Diener musste die Füße säubern.

 

Diesen Job übernimmt nun Jesus.

Er wäscht seinen Jüngern die Füße.

 

Um zu dienen.

 

Da stand Jesus vom Mahl auf, legte seine Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. 5 Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und zu trocknen mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.

Jesus zeigt.

Ich bin als Diener gekommen.

Ich will alles für dich tun, was du brauchst.

 

Nämlich gewaschen zu werden.

Von Schuld und Sünde gereinigt zu werden.

Ich bin nicht gekommen, um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele."

 

Das ist seine Mission.

Das ist sein himmlischer Auftrag.

Und was macht Petrus?

Was tut er?

Er fragt Jesus: „Herr, du kommst mir die Füße zu waschen?

Auf keinen Fall sollst du mir die Füße waschen.“

 

Er denkt (das steht nicht in der Schrift – ich sollte dir die Füße waschen..)

Er will sich nicht die Füße waschen lassen.

Es ist manchmal einfacher zu dienen, als sich dienen zu lassen.

Das ist Demut.

Das ist das Eingestehen von Schwachheit und Bedürftigkeit.

 

Als junger Christ war ich sehr oft Teilnehmer von christlichen Konferenzen.

In Hannover, der Schweiz, England, Kassel, an vielen Orten.

Und in diesen Kreisen – auch wenn ich das sehr schätzte war oftmals die Gefahr, dass die Teilnehmer von ihren Heldentaten mit dem Herrn erzählten.

Welche Gebetserhörungen und Heilungswunder sie erlebt hatten.

Wer sich wieder bekehrt hatte und welche Veranstaltungen wieder geplant waren.

 

Es ist ja auch gut und richtig, die Machttaten des Herrn zu erzählen.

Aber… es hatte auch eine einschüchternde Wirkung auf manchen, der solche Sache noch nicht oder überhaupt nicht erlebt hatte.

 

 

Eines Tages – ich war wieder bei einer Konferenz – stand ein Sprecher zum Beginn der Konferenz auf und sagte:

Ich begrüße euch recht herzlich miteinander.

Ich möchte, dass jeder von euch sich einen Nachbarn sucht, den er nicht kennt und dass ihr einander eure größten Niederlagen oder Schwächen, Fehler der letzten Zeit erzählt.

Und wartet nicht, bevor der andere anfängt, sondern seht zu, dass ihr der 1. Seid, der damit beginnt.“

Nach einer kurzen Schockstarre änderte sich die Atmosphäre des Raumes als hätte man Infrarotlampe, Solarium und Fußbodenheizung gleichzeitig auf maximalen Betrieb umgestellt.

Indem die Konferenzteilnehmer das taten, wuschen sie sich die gegenseitig sinnbildlich die Füße.

Sie dienten einander indem sie schwach voreinander wurden.

Es war als ob unsichtbare Glaswände der Trennung entfernt worden wären.

Eine Stimmung der Liebe und Annahme entstand.

 

Wie steht es in Jakobus 5,16: Bekennt also einander oder voreinander eure Sünden, und betet füreinander dass ihr gesund werdet.“

Wieviele körperliche und seelische Krankheiten würden aus unserer Mitte verschwinden, wenn wir das öfter tun würden.

Wieviel Ängste und Hemmungen würden verschwinden, wenn wir mehr über unsere Schwächen als über unsere Stärken reden würden.

 

Einander die Füße waschen.

Nicht den Kopf.

Sich selbst vor dem anderen erniedrigen.

Sich wie es Jesus tat, als er sein Obergewand auszog – sich „nackig“ machen vor dem anderen.

Die Schwachstellen des Lebens, die Verwundungen zeigen.

JA, ich weiß, das ist in unseren Gemeinden leider nicht üblich.

 

Das soll doch jeder für sich behalten.

Aber wo immer ich erlebe, dass jemand sich öffnet in einer kleinen Gruppe, da entsteht Nähe, Wärme, Annahme, Liebe.

 

Wo finden wir das in der Bibel?

  1. Johannes 1,7: Wenn wir aber im Licht voreinander wandeln, wie Jesus im Licht ist (er ist ja das Licht der Welt), so haben wir Gemeinschaft untereinander…und das Blut Jesu macht uns rein von aller Sünde…“

Manche Christen sprechen in unseren Tagen von „Lichtgemeinschaft.“

Wir sind in der Familie, untereinander, in der Gemeinde transparent, im Licht.

Dadurch entsteht Gemeinschaft.

 

Ist das verständlich?

Es ist in Ordnung, wenn wir unsere Schwächen vor Gott bringen im stillen Gebetskämmerlein oder im Auto auf dem Weg zur Arbeit.

 

Aber wenn ich das vor anderen Christen tue, dann erweise ich mich als ein wahrer Diener, eine wahre Dienerin Gottes.

Sich gegenseitig die Füße waschen.

Dem anderen dienen, indem wir etwas von uns preisgeben.

 

In Gruppen oder Klassen ist es ein Eisbrecher, wenn das jemand macht und genug Vertrauen untereinander da ist.

 

Wer so etwas noch nie getan hat, der sollte das einmal ausprobieren.

Als Mutter oder Familienvater – seinen Kindern oder Enkeln von seinen Schwächen oder größten Niederlagen im Leben erzählen.

 

Mitzuteilen, was einem schwer fällt.

Jesus sagt: „Wenn ich dich nicht wasche…wir könnten auch sagen, wenn wir Jesus nicht an unsere Schmuddelecken ran lassen, dann“

Dann haben wir kein Teil an ihm.

Dann werden wir nicht seine Jünger sein.

Dann gehören wir nicht zu ihm.

 

So wie der verlorene Sohn sagt:

Vater, ich habe gesündigt vor Gott und vor dir.“

So wie es der eine Verbrecher am Kreuz zu Jesus sagt:

Herr, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst..“

 

Unsere Schwachheit, Bedürftigkeit vor Gott und vor Menschen einzugestehen, ist Evangelium, ist frohe Botschaft, ist Teil von Jüngerschaft.

So wie es im 1. Petrusbrief steht:

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen schenkt er Gnade.“

Die Hochmütigen weist Gott von sich; aber er wendet denen seine Liebe zu, die wissen, dass sie ihn brauchen.«

 

Dazu eine wahre Geschichte aus dem Leben des Dichters und Rhetorik Professors Christin Fürchtegott Gellert.

Bevor er Professor wurde, wirkte er als Pädagoge:

Eine Gräfin suchte für ihren 6 jährigen Sohn einen hervorragenden Erzieher. Sie ließ den jungen Gellert zu sich kommen.

 

 

Die Gräfin war von seiner Persönlichkeit sehr beeindruckt.

Dennoch meinte sie Gellert noch einige Ratschläge mitgeben zu müssen.

Machen sie aus meinem Sohn keinen gelehrten Pedanten.

Ich verlange nichts als einen leichten anstrich von Sprachen, Geschichte, Geschichte, Mathematik und Chemie.

Und machen sie aus meinem Sohn ja keinen ständig betenden Christen…

Ich verlange von allem nur den richtigen Anstrich.“

Gellert hörte sich die Anweisungen seiner zukünftigen Brotgeberin geduldig an und sagte nach einer Pause des Nachdenkens:

Wenn das ihr Ansinnen ist, frau Gräfin, dann darf ich untertänigst raten: „Nehmen sie lieber einen Anstreicher.“ Damit verbeugte er sich kurz und ging.“

(aus: „Anders als gedacht“ von Friedhelm König: S. 83/84.)

 

Jesus macht es uns vor mit seiner Schürze und der auf den Knien stattfindenden Fußwaschung.

Christentum soll in die Tiefe gehen, kein frommer Anstrich sein, sondern unser ganzes Wesen erfassen und durchdringen.

Jesus sagt zu Petrus: „Wenn ich deine Füße nicht waschen darf, dann hast du keinen Teil an mir.“ (dann gehörst du nicht zu mir…)

Darf Jesus dir die Füße waschen?

Amen.

 

Zitat von Martin Niemöller

"Wir haben nicht zu fragen, wieviel wir uns zutrauen; sondern wir werden gefragt, ob wir Gottes Wort zutrauen, dass es Gottes Wort ist und tut, was es sagt!"

 

Aus: Dahlemer Predigten